Logo Epoch Times

Analyse

plus-iconPolitisch Motivierte Kriminalität

Rechtsextreme vs. Linksextreme: Wer ist gefährlicher?

Der Verfassungsschutzbericht 2024 hat auf Basis der BKA-Zahlen in vielen Phänomenbereichen einen Anstieg politisch motivierter Kriminalität festgestellt. Extremistische Anhänger der rechten und linken Ränder agieren dabei mit unterschiedlichen Feindbildern und Methoden.

top-article-image

Das Symbolbild zeigt einen Polizeieinsatz nach einer Massenschlägerei in Nordrhein-Westfalen.

Foto: Marc Gruber/7aktuell/dpa

author-image
Artikel teilen

Lesedauer: 11 Min.

„Linke“ gegen „Rechte“ und „Rechte“ gegen „Linke“ – die Spaltung der beiden klassischen politischen Lager spiegelt sich nicht nur im Demonstrationsgeschehen auf den deutschen Straßen oder in den sozialen Netzwerken wider. Auch die Fallzahlen der Sicherheitsbehörden über die sogenannte „Politisch motivierte Kriminalität“ (PMK) können als ein statistischer Gradmesser zur hiesigen Intensität der Polarisierung dienen.
Alexander Dobrindt (CSU) hatte in seiner noch jungen Amtszeit als Chef des Bundesinnenministeriums (BMI) bereits zweimal damit zu tun, nämlich Mitte Mai 2025 bei der Präsentation der PMK-Statistik (Video) und erst vor wenigen Tagen während der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts (Video). Beide Auswertungen beziehen sich auf das Jahr 2024, stammen vom Bundeskriminalamt (BKA) und zeigen in vielen Bereichen steigende Fallzahlen.
In ihrem kriminellen Verhalten zeigen Anhänger der beiden großen politischen Ränder deutliche Unterschiede. Zunächst einmal fällt auf, dass die absolute Zahl sämtlicher politisch motivierter Straftaten bei den „Rechten“ mit 42.788 über viermal größer ist als bei den „Linken“ (9.971 Fälle). Zum Vergleich: Die PMK-Statistik des Bundeskriminalamts (BKA) zählte im vergangenen Kalenderjahr deutschlandweit 84.172 politisch motivierte Straftaten insgesamt.
Die Differenz geht auf „ausländische“ (7.343), „religiöse“ (1.877) oder „sonstige“ (22.193) – also nicht eindeutig zuordenbare – Straftaten zurück.

Extremistisch motivierte Delikte: Rechte sechsmal häufiger vertreten als Linke

Das BKA und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) gehen allerdings nicht bei allen Delikten davon aus, dass es sich zugleich um „extremistisch motivierte Straftaten“ handelte. Mit dem Begriff „extremistisch“ beschreibt das BfV auf Seite 26 seines Verfassungsschutzberichts 2024 (PDF) jene Teilmenge an Delikten, „bei denen es Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie darauf abzielen, bestimmte Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen, die für die freiheitliche demokratische Grundordnung prägend sind“.
In der Kategorie „rechtsextremistisch“ zählte das BfV 37.835 extremistisch motivierte Fälle, „linksextremistisch“ verortete es 5.857 Fälle. Was verfassungswidrige oder gar -feindliche Umtriebe angeht, fielen die „Rechten“ damit sogar rund sechsmal so häufig negativ auf wie die „Linken“.
Die beiden Tabellen stellen die jeweils „extremistisch“ motivierten politischen Straftaten des Jahres 2024 in Deutschland gegenüber, die die Landeskriminalämter den Kategorien rechts oder links zugeordnet hatten. Foto: Collage Bildschirmfotos/Verfassungsschutz.de

Die beiden Tabellen stellen die jeweils „extremistisch“ motivierten politischen Straftaten des Jahres 2024 in Deutschland gegenüber, die die Landeskriminalämter den Kategorien rechts oder links zugeordnet hatten.

Foto: Collage Bildschirmfotos/Verfassungsschutz.de

Äußerungsdelikte dominieren rechtes Spektrum – Gefahr der Verzerrung gegeben

Im rechtsextremistischen Lager fallen primär die jeweils fünfstelligen Zahlen bei Propagandadelikten (24.177 Fälle) und Straftaten wie Volksverhetzung oder Beleidigungen (10.036) auf. Falls ein Täter nicht ermittelt werden kann, erfolgt die Zuordnung zum entsprechenden Phänomenbereich seit dem Jahr 2001 anhand der vorhandenen Hinweise. Das geht unter anderem aus einer Antwort der Landesregierung Nordrhein-Westfalen auf eine Kleine Anfrage zweier AfD-Abgeordneter hervor (Drucksache 18/9602, PDF). Dort heißt es: „Politisch motivierte Straftaten werden hinsichtlich des Begründungszusammenhangs (Motiv) einem oder mehreren Themenfeldern zugeordnet.“
Wird also etwa ein Hakenkreuz an einer Hauswand entdeckt oder ein linker Politiker im Netz beleidigt, gehen die Behörden routinemäßig von einer rechtsextremistisch motivierten Straftat aus, sofern keine anderen Belege vorliegen. Damit besteht zumindest in ungeklärten Fällen die Gefahr einer „False Flag“-Operation. Darunter versteht man den Versuch, mittels eines Täuschungsmanövers einer anderen Person oder Gruppe bestimmte Taten zuzuschreiben.
Fast alle extremistischen Propagandadelikte im Phänomenbereich „PMK rechts“ ließen sich laut BMI (PDF, Seite 5) der Verbreitung (Paragraf 86 StGB) oder der Verwendung (Paragraf 86a StGB) von Propagandamitteln verfassungswidriger und terroristischer Organisationen zuordnen. In der Regel betraf das die Verherrlichung des Nationalsozialismus.
Rechnet man auf beiden Seiten die Propagandadelikte und verbale sowie schriftliche Straftaten heraus, bei denen Leib, Leben oder Eigentum anderer Menschen oder Gruppen nicht direkt betroffen waren, standen somit 3.622 rechtsextremistisch motivierte Straftaten 3.840 linksextremistisch motivierten Delikten gegenüber.
Das Personenpotenzial im Rechtsextremismus liegt nach Angaben von Dobrindt derzeit bei über 50.000, darunter 15.300 gewaltorientierte Personen. Beim Linksextremismus geht das BMI von etwa 38.000 Personen aus, darunter 11.200 Gewaltbereite.

Rechts neigte allgemein eher zur Körperverletzung, Links zu Landfriedensbruch und Sachbeschädigungen

Bei Gewalttaten gegen Leib, Leben oder Eigentum zeigt sich ein differenziertes Bild der Präferenzen beider Seiten. Während sich Angehörige des rechtsextremistischen Spektrums mit 1.121 Fällen rund fünfmal so häufig wie linksextremistisch Motivierte (216 Fälle) zu Körperverletzungen hinreißen ließen, beschädigten die Linksextremen doppelt so häufig (3.143 zu 1.646) fremdes Eigentum, leisteten annähernd doppelt so oft gewaltsam Widerstand (145 zu 79) und begingen fast zehnmal so oft (59 zu 6) Landfriedensbruch. Auch bei Brandstiftung (86 zu 23) und beim Einsatz von Sprengstoffen (6 zu 3) lagen die Linksextremen vorn.
Andererseits waren Nötigungs- (687 zu 165), Raub- (18 zu 9) und Erpressungsdelikte (12 zu 1) ebenso wie die Störung der Totenruhe (8 zu 0) hauptsächlich im rechtsextremen Lager anzutreffen. Die sechs versuchten, aber erfolglosen Tötungsdelikte des Jahres 2024 gingen laut BKA ebenfalls allein auf das Konto Rechtsextremer.

Rechtsextremisten steigern Gewalt gegen Ausländer

Während es bei den rechtsmotivierten Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund eine Steigerung um knapp 12 Prozent auf 1.281 Fälle gegeben hatte, sanken die linksextremistisch-politisch motivierten Gewalttaten um fast 27 Prozent auf 532 Fälle.
Die beiden Tabellen stellen die jeweils „extremistisch“ motivierten politischen Gewalttaten des Jahres 2024 in Deutschland gegenüber, die die Landeskriminalämter den Kategorien rechts oder links zugeordnet hatten. Foto: Collage Bildschirmfotos/Verfassungsschutz.de

Die Tabellen stellen die jeweils „extremistisch“ motivierten politischen Gewalttaten des Jahres 2024 in Deutschland gegenüber, die die Landeskriminalämter den Kategorien rechts oder links zugeordnet haben.

Foto: Collage Bildschirmfotos/Verfassungsschutz.de

Der Löwenanteil bei den Rechtsextremisten fiel dabei auf Gewalttaten gegen Ausländer (983 Fälle), die Linksextremisten sahen stattdessen in der Polizei und Angehörigen von anderen Sicherheitsbehörden sowie bei den Rechten ihre Hauptgegner.
Allerdings kam es von linksextremistischer Seite „nur“ 233 Mal zur Gewaltanwendung gegen Beamte, statt wie im Vorjahr 481 Mal. Der Sinkflug der linksextremen Gewaltaktionen gegen „den Staat, seine Einrichtungen oder Symbole“ endete 2024 bei 231 Gewalttaten. Das BfV wies darauf hin, dass die Zahl der linksextremistisch motivierten Gewalttaten gegen die Polizei und Sicherheitsbehörden gegenüber dem Vorjahr damit um 51,6 Prozent zurückgegangen ist: In absoluten Zahlen hat es 138 Widerstandsdelikte, 42 Körperverletzungen, 41 Fälle von Landfriedensbruch, acht Brandstiftungen und vier Sprengstoffanschläge gegeben, die sich gegen die Staatsmacht wendeten.
Insgesamt hatte es im gesamten Bereich „PMK links“ 1.245 Straftaten (2023: 1.592) gegen die Polizei gegeben, darunter 368 (2023: 558) Gewalttaten.
Die Tabelle zeigt die Entwicklung der Straftaten gegen die Polizei in Deutschland zwischen 2023 und 2024 in allen Phänomenbereichen. Foto: Bildschirmfoto/BMI

Die Tabelle zeigt die Entwicklung der Straftaten gegen die Polizei in Deutschland zwischen 2023 und 2024 in allen Phänomenbereichen.

Foto: Bildschirmfoto/BMI (PDF, Seite 23)

Linksextremisten verlagern Gewalt: Weg von der Staatsmacht, hin zu Rechtsextremen

Dafür richtete sich die überschüssige Energie der Linksextremisten wieder öfter gegen ihre vermeintlichen oder tatsächlichen Gegner aus dem rechten Spektrum: Die Zahl der allgemeinen Straftaten aus dem Phänomenbereich „PMK links“ stieg laut BfV von 1.650 auf 3.859 um 133 Prozent an. Gewalt war dabei 280 Mal statt wie 2023 „nur“ 204 Mal im Spiel.
Abermals zeigte sich in der Statistik des BfV eine relative Vorliebe der Linksextremisten für Brandstiftungen, um ihren vermeintlichen Gegnern Schaden zuzufügen. 33 zu 3 Fälle stehen für sich.
Ähnlich sieht es beim Respekt für das Territorium des politischen Gegners aus: In 26 Fällen begingen Linksextremisten Landfriedensbruch auf „rechtem“ Gebiet, Rechtsextremisten umgekehrt nur dreimal. Auch bei Widerstandsdelikten (52 zu 2) und Körperverletzungen (156 zu 87) lagen die links motivierten Delinquenten im direkten Kampf gegen Vertreter des anderen politischen Spektrums vorn.
Die beiden Tabellen stellen die Jahreszahlen 2024 der jeweils spezifischen Gewaltdelikte dar, wenn Rechtsextreme ihren vermeintlichen oder tatsächlichen Gegnern von Links schaden wollen oder umgekehrt Linksextreme gegen mutmaßlich Rechte vorgehen. Foto: Collage Bildschirmfotos/Verfassungsschutz.de

Die beiden Tabellen stellen die Jahreszahlen 2024 der jeweils spezifischen Gewaltdelikte dar, wenn Rechtsextreme ihren vermeintlichen oder tatsächlichen Gegnern von Links schaden wollen oder umgekehrt Linksextreme gegen mutmaßliche Rechte vorgehen.

Foto: Collage Bildschirmfotos/Verfassungsschutz.de

Umgekehrt wurden Rechtsextreme in „nur“ 106 Fällen gegen mutmaßliche Linksextremisten gewalttätig, was allerdings ebenfalls eine klare Steigerung zum Vorjahreswert (66) bedeutete.
Im gesamten Bereich „PMK rechts“ war 2024 auch eine Steigerung der Straftaten gegen die Polizei festgestellt worden. Hatte es 2023 noch 1.315 Fälle gegeben, darunter 120 gewalttätiger Natur, so steigerten sich die Zahlen 2024 auf 1.577/131 Fälle. Die Polizei kann aber immer noch fast dreimal so viele Gewaltattacken von links wie von rechts erwarten.

Heiße Pflaster vorwiegend im Norden

Die rechtsextremistische, gewaltbereite Szene ist in absoluten Zahlen erwartungsgemäß im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen stark: 154 Gewalttaten bei 18,2 Millionen Einwohnern fallen aber längst nicht so stark ins Gewicht wie jene 116 Gewalttaten, die es im zehnmal kleineren Hamburg gab. An der Waterkant hat sich das Tatgeschehen im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt.
Ansonsten dominieren die östlichen, relativ bevölkerungsarmen Länder Mecklenburg-Vorpommern (113 rechtsextremistische Gewalttaten/1,63 Millionen Einwohner), Thüringen (110/2,12), Sachsen-Anhalt (99/2,2), Brandenburg (112/2,58), Sachsen (109/4,1) und Berlin (88/3,8) mit ihren relativen Quoten rechtsextremer Gewalt.
Mit Ausnahme des Saarlands, Rheinland-Pfalz, Bayern, Sachsen-Anhalt, Berlin, Brandenburg und Schleswig-Holstein stiegen die Zahlen allerdings überall zumindest leicht an.
Die beiden Tabellen zeigen die Verteilung der rechtsextremistischen bzw. linksextremistischen Gewalttaten in den 16 Bundesländern. Foto: Collage Bildschirmfotos/Verfassungsschutz.de

Die beiden Tabellen zeigen die Verteilung der rechtsextremistischen bzw. linksextremistischen Gewalttaten in den 16 Bundesländern.

Foto: Collage Bildschirmfotos/Verfassungsschutz.de

Hochburg linksextremistisch motivierter Gewalttaten war 2024 mit 98 Fällen Berlin, gefolgt von Sachsen, dessen Fallzahl sich von 191 im Vorjahr auf nur noch 92 allerdings massiv verringerte. Noch stärker war der Rückgang in NRW: Mit landesweit 85 Fällen zählte das BKA nicht einmal mehr ein Drittel der Fälle vom Vorjahr.
Mit Ausnahme von Bayern (16/minus 33), Thüringen (5/minus 13) und Hamburg (16/minus 7) waren die linksextremistisch motivierten Gewalttaten ansonsten ebenfalls überall auf dem Vormarsch.
Patrick Reitler, geboren in den späten Sechzigerjahren am Rande der Republik. Studium der Komparatistik, Informationswissenschaft und Sozialpsychologie. Seit der Jahrtausendwende als Journalist hauptsächlich in Online-Redaktionen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk und als Fußballkommentator unterwegs. Seit Ende 2022 freier Autor. Bei Epoch Times vorwiegend für deutsche Politik zuständig.

Aktuelle Artikel des Autors

Kommentare

Noch keine Kommentare – schreiben Sie den ersten Kommentar zu diesem Artikel.